Еврейские судьбы: Двенадцать портретов на фоне еврейской иммиграции во Фрайбург | страница 76




Die Fenster in der Baracke waren warum auch immer sehr hoch oben gelegt (oder kam es dem 4,5 Jahre alten Jungen nur so vor?). Die Wände waren mit Lehm bestrichen, man konnte sie ruhig mit den Nägeln kratzen. Emil schlief zusammen mit der Mutter auf einer Liegebank. Am Tag wurden die Erwachsenen (die Mutter natürlich auch) zur Arbeit weggebracht. Und die Kinder blieben in der Baracke – ohne Essen und ohne Aufsicht. Einmal setzten sich die Jungen entlang der staubigen Straße hin und bemerkten sogar nicht, wie auf sie ein Soldat zurannte und begann, sie alle mit einem Stock zu verprügeln. Als die Mutter am Abend zurückkam, war sie einer Ohnmacht nahe, aber sie als Medizinerin stellte doch dem blutbefleckten Sohn die Diagnose einer Gehirnerschütterung. Es gab keine Medizin, sie spülte irgendwie die Wunden und verband ihm den Kopf mit ihrem Tuch. Alles verheilte, aber es blieb eine Narbe im Kopfkrone zurück. Schon nach dem Krieg warnte ein Psychiater: Es könnte Schlaf-, Blutdruck– und Gedächtnisstörungen geben.

Am ehesten war dieser Soldat Deutscher. Obwohl Rumänen marodierten und drangsalierten, waren sie doch menschlicher: Sie hätten die Kinder nie so verprügelt.

Während des ganzen Krieges war Emil wahnsinnig hungrig. Und er dachte, dass es in Kischinew, wenn er dorthin zurückkehrt, eine Unmenge von Brot geben werde, mit dem er sich vollstopfen werde. Häufig träumte er – und träumt heute immer noch – nachts von Brot.

Evakuierung oder Ghetto?

Das Ghetto in Rybniza wurde erst im Frühling 1944 befreit. Kischinew war immer noch von den Deutschen besetzt, aber Anfang September endete die Besatzungszeit. Die Familie brauchte beinahe einen Monat, um von Rybniza ins vollkommen zerstörte Kischinew zu kommen. Sie lebten in einem Keller, aber es war unmöglich, in diesen Ruinen wieder Fuß zu fassen. Sie kehrten nach Kostjuscheny zurück, die Mutter wurde in demselben Krankenhaus und in derselben Apotheke angestellt, darüber hinaus bekamen sie die Wohnung zugewiesen, wo sie auch früher gewohnt hatten! Mama lebte in Kostjuscheny bis zu ihrem Tod im Jahr 1984.

Nach der Befreiung des Ghettos riet Mama ein Offizier aufs Eindringlichste, nirgends und niemandem zu erzählen, dass sie und ihr Sohn unter deutscher Besatzung, geschweige denn in einem Ghetto, gelebt hatten. Deswegen sagte und schrieb sie zuerst immer, dass sie in den Ural evakuiert worden waren. Einmal hörte sie irgendwo, dass Juden hauptsächlich in Taschkent lebten, und begann auch über sich und Emil zu sagen, dass sie in Taschkent gewesen waren. Als die beiden eine Bescheinigung über die Evakuierung brauchten, teilte das zentrale Rote Kreuz in Moskau auf Anfrage mit, dass es über keine Nachweise ihrer Evakuierung verfüge. Na ja… das war ja klar.